Archiv der Kategorie: Kultur

Türkei und Armenier: Ungestrafte Hetzer

Pünktlich zum Jahrestag des Massakers an den Armeniern sendet Ankara nicht Gesten der Einsicht, sondern Verhärtung: Die türkische Führung wehrt sich immer noch mit Händen und Füßen dagegen, die Massaker von 1915-17 als Genozid zu bezeichnen, im Ausland wie im eigenen Land. So haben die türkischen Behörden bei der EU-Kommission jetzt offenbar Beschwerde gegen ein subventioniertes, deutsches Konzertprojekt zum Armeniermord eingelegt und wollen den Begriff „Völkermord“ dort nicht verwendet wissen. Dass ihnen das gerade jetzt einfällt (das Stück wurde letztes Jahr ohne Beschwerden schon in Berlin aufgeführt), dürfte nicht zuletzt mit Merkels Einlenken im Fall der Meinungsfreiheit zu tun haben. Denn wenn schon die Kanzlerin nicht Stellung dazu bezieht, was Satiriker in Deutschland dürfen sollen und was nicht – ja dann kann man es ja auch bei der EU probieren, hat Erdogan vielleicht gedacht. An diesem 24. April begehen die Armenier den 101. Gedenktag zum Massenmord an ihrem Volk. Von ernsthafter Vergangenheitsbewältigung ist die Türkei heute immer noch weit entfernt. So fehlt nicht nur ein Schuldeingeständnis von offizieller Seite, die Volksgruppe kann am Bosporus auch weiter ungestraft als Feindbild konstruiert werden. Weiterlesen

Wenn Gott die kalte Schulter zeigt

„Gott zeigt die kalte Schulter“ könnte man den Titel von Ester Maria Magnis‘ Buch „Gott braucht dich nicht“ wohl zuspitzen. In ihrem ersten Buch legt die 1980 geborene katholische Autorin einen Abschnitt ihres Glaubensweges dar. Sie erzählt von ihrer Suche nach Gott, ihrem Ringen mit Gott, ihrem Zorn auf Gott. Weiterlesen

Jede Videocracy hat ihren Parasiten

»Wärme, Rauschen, Wirbel.

Der Parasit war unvermeidlich.«[1]

Ein italienischer Fernsehabend im Jahr 1976. Im Wohnzimmer flimmert das Quiz eines Lokalsenders über den Bildschirm. Bei der Sendung müssen Zuschauer von zu Hause aus Fragen beantworten. Bei jeder richtigen Antwort wird ihnen ein bisschen heißer. Denn dann erhebt sich die mollige Hausfrau neben dem Moderator im schwarzen Anzug, führt einen kurzen Tanz auf und lässt ein Kleidungsstück fallen. Unbeholfen sind ihre Bewegungen, doch der Strip zeigt Wirkung: Das Format ist überaus erfolgreich. So erfolgreich, dass die Mischung aus Interaktion, Sex und Unterhaltung noch gut dreissig Jahre später in vielfachen Variationen die Kanäle des italienischen Fernsehens füllen wird… Weiterlesen

Der König verneigt sich: Herta Müllers Trumpf

„Warum kommt in Ihren Texten so oft der König und so selten der Diktator vor?“, wird sie häufig gefragt. „Das Wort König klingt weich.“ Herta Müller blickt ins Publikum. Ihre dunkel umrandeten Augen stechen aus dem weißen Gesicht hervor, das von einem markanten Pagenschnitt umrahmt wird. Müller steht auf der Bühne, inmitten der Ruinen des Forum Romanum, über ihr der Sternenhimmel. Ihre Stimme ist fragil und stark zugleich: „Und oft werde ich gefragt, warum in meinen Texten so oft der Frisör vorkommt. Der Frisör misst die Haare, und die Haare messen das Leben. Der Frisör, das Haar und der König fanden zusammen, lange bevor ich den Diktator kannte und bevor ich zu schreiben anfing.“ Weiterlesen

Tocca il suono, gusta il film

Il mio corpo non è solo un oggetto tra tutti gli oggetti… invece è un oggetto che è sensibile a tutto il resto, che risuona a tutti i suoni, vibra a tutti i colori e dà nascita alle parole con il loro significato originale attraverso il modo in cui li riceve.” (da Fenomenologia della Percezione di Maurice Merleau-Ponty)

 Il cinema racconta. Ma in modo ancora più elementare (però non meno semplice) il cinema è esperienza estetica – esperienza di colore e ritmo, atmosfera e spazio. Weiterlesen

Nichts muss, alles kann

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Katalogbeitrag zur Ausstellung „OBJECTrelations“ im Kunstbahnhof Dresden. Künstler: Florin Sebastian Winkler

 

Florin Winklers „Object Relations“ gehen von den vielfältigen Wahrnehmungsmöglichkeiten des Raumes aus. Man könnte sie als Modulationen von Raum bezeichnen. Nicht das Objekt steht im Mittelpunkt, sondern das „Zwischen“ den Objekten. Die Arbeiten treten untereinander und mit ihrer Umgebung in Beziehung. Sie sind nicht nur selbst räumlich, sondern schaffen neue räumliche Situationen und laden dazu ein, sich in diesen zu bewegen. Florins Objekte schließen nichts ab oder ein, sondern öffnen und vervielfachen. Weiterlesen